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November 20, 2025
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Flexumer

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Flexumer

Flexumer sind die nächste Evolutionsstufe der Energieverbraucher:innen: Um das Netz zu schützen, passen sie aktiv ihren Stromverbrauch oder ihre Erzeugung an. In diesem Leitfaden erklären wir, was Flexumer auszeichnet, warum sie in der heutigen Energiewende eine zentrale Rolle spielen und wie sie durch Lastverschiebung Energieflexibilität ermöglichen. Außerdem zeigen wir, wie Großbritannien, Deutschland und die Niederlande Flexumer durch ihre Politik und Pilotprojekte fördern.

Flexumer: Von Kund:innen zu aktiven Netzpartner:innen

Ein Flexumer (flexible consumer) ist der nächste Schritt in der Evolutionsstufe der Energienutzer:innen. Kund:innen werden zu Prosumern und letztlich zu Flexumern.

  • Kund:innen nutzen lediglich Strom.
  • Prosumer erzeugen und speichern Strom für den Eigenverbrauch.
  • Flexumer gehen einen Schritt weiter. Sie steuern aktiv ihre Anlagen wie Solar, Batterie oder E-Auto Ladestationen und unterstützen damit das Netz. Zudem können sie am Flexibilitätshandel teilnehmen.

Flexumer passen ihren Stromverbrauch oder ihre Einspeisung auf Grundlage von dynamischen Preisen oder Netzbedürfnisse in Echtzeit an. Das kann so aussehen, dass sie ihr E-Auto (EV) laden, wenn viel Solarstrom verfügbar ist, ihre überschüssige Energie in Batterien speichern, oder während Spitzenlast den Verbrauch drosseln. Entscheidend ist, dass Flexumer diese Energieflexibilität als Dienstleistung anbieten können – entweder direkt, über Aggregatoren oder Marktzugangsanbietern. Dafür werden sie finanziell entlohnt und helfen gleichzeitig Angebot und Nachfrage auf den Ausgleichsmärkten zu balancieren.

Flexumer sind mehr als nur smarte Nutzer:innen. Sie sind aktive Akteure in einem dezentralisierten Energiesystem, die ihre Energieflexibilität in handelbare Anlagen verwandeln und Einnahmen generieren können.

Warum Flexumer in der Energiewende wichtig sind

Warum Flexumer in der Energiewende wichtig sind

Die Stromnetze Westeuropas stehen unter wachsendem Druck. Durch die Elektrifizierung von Wärme und Mobilität steigt die Nachfrage nach EVs und Wärmepumpen. Gleichzeitig führt die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auch zu Schwankungen im Angebot, was das Netz überlasten könnte, wenn diese nicht ausgeglichen werden. Bisher haben Netzanbieter darauf meist mit dem Ausbau der Infrastruktur reagiert. Mittlerweile ist es jedoch genauso wichtig, wie und wann Strom genutzt wird. Flexumer unterstützen dabei, Stress im Netz zu reduzieren, indem sie ihren Verbrauch in Echtzeit verschieben und die Integration von Solar und anderen dezentralen Energieressourcen (DERs) erleichtern.

Flexumer erschließen versteckte Netzkapazitäten

Eine Lastverschiebung auf der Nachfrageseite kann die Netzeffizienz um bis zu 20 Prozent steigern. In den Niederlanden erschloss TenneT 9 Gigawatt (GW) Kapazität, indem das Unternehmen mit Großverbrauchern zusammenarbeitete, die ihre Last in Nebenzeiten verlagerten und so bis zu 65 Prozent der Netztarife einsparten. Es ist eine klare Win-Win-Lösung: niedrigere Kosten für Nutzer:innen, weniger Belastung für das Netz und mehr Versorgungssicherheit.

Zeitlich gesteuerte Energienutzung ermöglicht nachhaltige Erzeugung

Flexumer gleichen auch die Schwankungen der erneuerbaren Erzeugung aus. Das Laden von EVs oder das Erhitzen von Wasser zur Mittagszeit kann überschüssige Solarenergie aufnehmen und bei dynamischen Tarifen sogar von negativen Preisen profitieren. Dadurch sinken Emissionen und kostspielige Netzsausbauten werden vermieden.

Technologie macht Flexibilität nahtlos

Smart Meter, smarte Anlagen und Home-Energy-Management-Systeme (HEMS) machen es heute einfacher, die flexible Nutzung zu automatisieren. Eine HEMS-Software erlaubt es Haushalten, ihre Anlagen einfach zu steuern und den Verbrauch in Zeiten niedriger Preise zu verschieben. Diese digitale Ebene ist der Schlüssel, um Flexumer von Pilotprojekten in den Mainstream zu bringen.

Flexibilität senkt Systemkosten und stärkt die Resilienz

Verbraucher:innen dafür zu bezahlen, Lasten zu verschieben, ist günstiger, als zusätzliche Kraftwerke hochzufahren. Das Vereinigte Königreich schätzt, dass Kund:innen-Energieflexibilität die Systemkosten bis 2050 um rund 70 Milliarden Pfund senken könnte. Flexumer machen das System robuster, günstiger und grüner – genau dann, wenn es am wichtigsten ist.

Wie Flexumer Energieflexibilität (Demand Side Response) ermöglichen

Flexumer schaffen Energieflexibilität, indem sie ihre Nachfrage basierend auf externen Signalen oder Preissignalen der Netzbetreiber anpassen. Dieses Vorgehen bezeichnet man als Demand Response und kann auf zwei Arten erfolgen:

Zwei Arten von Energieflexibilität

  • Implizite Energieflexibilität liegt vor, wenn Flexumer ihren Stromverbrauch anhand von Preissignalen anpassen, ohne formelle Vereinbarungen. Dazu gehört die Reaktion auf zeitunabhängige Tarife oder dynamische Preise, die sich stündlich oder in Echtzeit ändern können. Ein Flexumer lädt zum Beispiel das E-Auto dann, wenn die Preise niedrig sind, oder nutzt die Anlagen nachts, um Kosten zu sparen.
  • Explizite Energieflexibilität umfasst die formelle Teilnahme an Programmen, bei denen Nutzer:innen vergütet werden, wenn sie ihre Nachfrage auf Anforderung verschieben oder reduzieren. Diese Programme werden in der Regel durch Marktzugangspartner oder Aggregatoren verwaltet. Diese bündeln die flexiblen Lasten und handeln sie auf Energie- oder Ausgleichsmärkten.

Beide Formen sind entscheidend für den Netzausgleich und die Senkung der Systemkosten.

Wie Flexumer Energieflexibilität (Demand Side Response) ermöglichen

Mehrwert durch intelligente Steuerung

Viele Flexumer kombinieren beide Formen. Ein smartes Setup zu Hause mit PV-Anlage, Batterie und EV-Ladestation kann auf Netz- und Preissignale reagieren. Mit diesem Value Stacking können Nutzer:innen laut einer gridX-Analyse bis zu 1.500 Euro pro Jahr einsparen.

Alles nahtlos dank smarter Technologie

gridX steuert smarte Anlagen wie Photovoltaik (PV)-Systeme, Batterien, Wärmepumpen und Ladestationen. Diese reagieren dann automatisch auf Preis- oder Netzsignale. Über ein lokales Gateway und einer Cloud-Plattform werden die Anlagen zu einer flexiblen Ressource verbunden. Bereits kleine Verschiebungen in der Nutzung können große Unterschiede machen.

Herausforderungen und Lösungen

Die Annahme von flexiblen Lösungen wird immer noch durch Bedenken über Kontrolle, Transparenz und Komplexität gebremst. Haushalte brauchen klare Vorteile, einfache Tools und vertrauenswürdige Anbieter, um skalieren zu können. Dafür legt Westeuropa nun die Grundlagen.

Großbritannien führt den Flexumer-Wandel an

Großbritannien positioniert sich mit starker politischer Unterstützung als Vorreiter für Flexumer. 2023 legte die Regierung mit der „Clean Flexibility Roadmap” eine nationale Strategie vor, um die Flexibilität auf Kund:innenseite zu fördern. Dazu wurden Maßnahmen wie der verpflichtende Zugang zu smarten Tarifen, Rabatte für das Laden von E-Autos außerhalb der Spitzenzeiten und maßgeschneiderte Energieprodukte auf Basis von Smart Meter-Daten beschlossen.

Infrastruktur-Upgrades und Marktreformen

Ein zentraler Bestandteil des Ansatzes von Großbritannien ist die Anpassung der Marktregeln und der Infrastruktur zur Unterstützung der Flexumer. Seit Oktober 2025 begann die Einführung des „Market-Wide-Half-Hourly Settlement” (MHHS), was die Stromabrechnung auf 30-Minuten Intervalle umstellte. Bis Oktober 2026 sollen rund 80 Prozent der Zähler umgestellt sein – die gesamte Implementierung bis Mai 2027 abgeschlossen. Auf diese Weise möchte Großbritannien dynamische Preise ermöglichen und sicherstellen, dass Flexumer künftig dafür entlohnt werden, wann sie Energie verbrauchen und nicht nur, wie viel sie verbrauchen.

Solche Reformen schaffen auch den Zugang zu kurzfristigen Strommärkten. Mit Smart Metern und einem Marktzugangsanbieter (Aggregator oder Versorger) können Flexumer in Großbritannien am Day-Ahead- und Intraday-Handel teilnehmen. Die Anpassung der Nachfrage als Reaktion auf Preisprognosen oder Netzsignale wird zu einem neuen Wertstrom, insbesondere wenn die Märkte volatil sind oder die erneuerbare Erzeugung stark schwankt.

Der Demand Flexibility Service (DFS) wird Mainstream

Auch die Systembetreiber von National Grid setzen aktive Anreize für Energieflexibilität. Der „Demand Flexibility Service” (DFS), der erstmals im Winter 2022 bis 2023 getestet wurde, konnte im Winter vergangenen Jahres erfolgreich ausgewertet werden. Haushalte und kleinere Unternehmen erhielten Zahlungen, wenn sie ihren Verbrauch während der Spitzenzeiten senkten. Der „National Energy System Operator” (NESO) berichtete, dass der DFS im Winter 44 mal aktiviert wurde und eine reduzierte Nachfrage von 3.917 Megawattstunden (MWh) erzielte. Dieser deutliche Anstieg gegenüber dem Vorjahr erwies sich an Tagen mit knapper Versorgung als sehr wertvoll. Insgesamt konnten die Stromnetze in Großbritannien im Jahr 2024 eine Rekordkapazität von neun Gigawattstunden (GWh) tatsächlicher Lastverschiebung nutzen – genug, um fast 7.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Diese Zahlen zeigen, dass die Energieflexibilität im Mainstream angekommen ist.

Lokale Flexibilitätsmärkte gewinnen an Fahrt

In Großbritannien werden auch lokale Flexibilitätsmärkte gefördert. Mehrere Verteilnetzbetreiber (VNBs) haben Flexibilitätsausschreibungen eröffnet, bei denen sie Unternehmen oder Gemeinden bezahlen, um den Verbrauch in eingeschränkten Netzgebieten anzupassen. In einem Fall verdoppelte ein großer VNB die Anzahl der Anlagen die an seinen lokalen Flexibilitätsdiensten teilnahmen, innerhalb eines Jahres von 75.000 auf 162.000. Dies spiegelt das schnelle Wachstum der Technologien vor Ort wider, die Kund:innen die Teilnahme erleichtert.

Großbritannien führt den Flexumer-Wandel an

Preissignale treffen auf öffentliche Bereitschaft

Ein weiterer unterstützender Faktor in Großbritannien ist das durch die Energiekrise gestiegene Kund:innenbewusstsein. Angesichts der hohen Strompreise in den letzten Jahren haben viele Kund:innen smarte, zeitabhängige Tarife wie den „Agile Tariff” von Octopus Energy eingeführt, um durch Energieflexibilität Geld zu sparen. Laut einer Umfrage sind Kund:innen in Großbritannien führend bei der Nutzung dieser impliziten Energieflexibilität – 39 Prozent der Befragten passen ihren Verbrauch bereits basierend auf Preissignalen an, und nur vier Prozent geben an, sich dies nicht vorstellen zu können. Diese Offenheit, kombiniert mit staatlicher Unterstützung, schafft einen fruchtbaren Boden für Flexumer.

Von Pilotprojekt zur Politik

Die britische Regierung und die Energiewirtschaft unterstützen das Flexumer-Modell stark. Sie sehen enorme Systemvorteile – bis zu  70 Milliarden Pfund Einsparungen bis 2050 durch reduzierte Spitzenbelastung – und sehen es als Schlüssel zu einem emissionsfreien Netz. Durch die Einführung von Smart Metern, die Vorschrift dynamischer Preise und die direkte Entlohnung der Kund:innen für die Teilnahme zeigt Großbritannien, wie man normale Menschen zu aktiven Partnern bei der Steuerung des Energiesystems macht. Flexumer werden in Großbritannien zur Realität – von einer Familie, die das Wäschewaschen verschiebt, um eine Belohnung zu erhalten, bis hin zu einer Supermarktkette, die bei Netzengpässen ihre Vor-Ort-Generatoren hochfährt. Die Reise hat gerade erst begonnen, aber der politische Rahmen gibt in Großbritannien eine klare Richtung vor: Belohnt Menschen für ihre Flexibilität, nicht für Verschwendung.

Wie Deutschland Flexumer unterstützt

Deutschland treibt den Flexumer-Wandel durch regulatorische Reformen und Technologie-Rollouts voran, um die Nachfrageseite in einem historisch starren Markt zu flexibilisieren. Einer der wichtigsten Schritte ist dabei die Umsetzung von § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), das im Januar 2024 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz adressiert ein praktisches Problem: Mit tausenden neuen Wärmepumpen und EV-Ladestationen, die an das Netz angeschlossen sind, besteht das Risiko einer Überlast in Nachbarschaftsnetzen.

Regulatorischer Wandel durch Paragraf 14a EnWG

Paragraf14a EnWG schafft einen Rahmen für die flexible Steuerung von Anlagen. Er erlaubt es Netzbetreibern, steuerbare Anlagen vorübergehend zu drosseln – zum Beispiel um lokale Überlast im Netz zu vermeiden. Im Gegenzug profitieren Kund:innen als Entschädigung von reduzierte Netzentgelten. Entscheidend ist dabei auch:  Es musssichergestellt werden, dass neue smarte Anlagen nicht vom Netzanschluss abgelehnt werden können: VNB müssen sie anschließen und dürfen sie nur unter klar definierten Regeln steuern.

Finanzielle Anreize für flexible Nutzung

Diese Vorschrift verändert die Spielregeln für private und kleine gewerbliche Flexumer grundlegend.

Da Netzentgelte einen großen Teil der deutschen Stromrechnung ausmachen, ist ein Rabatt für flexible Nutzung ein starker Anreiz. Die neue Verordnung wird von Programmen für zeitvariable Netzentgelte begleitet. Netzbetreiber müssen unterschiedliche Preiszeitfenster definieren (günstigere Netzentgelte nachts oder bei geringer lokaler Last), um Kund:innen zur Lastverschiebung zu motivieren.

Beispielsweise könnten Haushalte mit einer EV-Ladestation mit der Nutzung eines Moduls  des Paragrafen 14a etwa 110 - 190 Euro von ihren jährlichen Netzentgelten sparen – was 50 - 95 Prozent der typischen Netzentgelte für den Strom eines E-Autos ausmachen kann. Ein anderes Modul sieht eine pauschale Reduzierung der Energiepreise um 60 Prozent für separat gemessene, steuerbare Anlagen (zum Beispiel Wärmepumpen) vor.

Seit April 2025 ermöglicht Modul 3 des Paragrafen 14a EnWG den Netzbetreibern, vollständig dynamische Netzentgelte anzubieten, die je nach Zeitpunkt variieren. Obwohl die Akzeptanz bis 2026 ansteigen könnte, bauen diese Tarife auf früheren Optionen auf und schaffen stärkere Anreize für flexible Energienutzung. Laut gridX-Analyse können Haushalte, die steuerbare Anlagen mit Lastverschiebung kombinieren, bis zu 750 Euro pro Jahr sparen.

Smart Meter, dynamische Preise und Marktzugang

Neben der Preisreform treibt Deutschland endlich den Rollout von Smart Metern und dynamischen Einzelhandelstarifen voran – grundlegende Elemente für Flexumer. Dafür wurde ein neues Gesetz, das sogenannte „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“, erlassen. Es schreibt einen beschleunigten Smart-Meter-Rollout vor und verlangt von allen Energieversorgern, ab 2025 dynamische Stromtarife anzubieten. Das bedeutet, dass deutsche Kund:innen Zugang zu Stromtarifen haben werden, die an Echtzeit-Marktpreise gekoppelt und mit Smart Metern ausgestattet sind, um diese Preise auch nutzen zu können.

Zunächst werden Haushalte mit hohem Verbrauch (über 6.000 kWh/Jahr) für Smart Meter priorisiert, mit dem Ziel einer 95 Prozent-Abdeckung bis 2030. Diese Zähler schaffen nicht nur dynamische Preise auf Einzelhandelsebene, sondern eröffnen auch Flexumern und Aggregatoren die Tür zur Teilnahme an Großhandelsmärkten. Beispielsweise können flexible Lasten gebündelt und auf Day-Ahead- und Intraday-Märkten gehandelt werden, wo Preise auf Schwankungen von Angebot und Nachfrage reagieren. Das ist der Weg, um explizite, marktbasierte Energieflexibilität in nahezu Echtzeit zu monetarisieren.

Wie die Niederlande Flexumer unterstützen

Wie die Niederlande Flexumer unterstützen

Die Niederlande stehen vor einer großen Herausforderung: Ihr Netz ist durch das schnelle Wachstum erneuerbarer Energieressourcen und die Elektrifizierung stark eingeschränkt, wodurch das Engpassmanagement zu einem dringenden nationalen Problem wird. In einigen Regionen mussten Großverbraucher und erneuerbare Projekte auf Netzanbindungen warten. Das hat die Niederländer:innen dazu veranlasst, Expert:innen in Sachen Energieflexibilität – und so zu frühen Anwender:innen des Flexumer-Konzepts  zu werden.

Netzengpässe treiben flexible Innovation voran

Auf nationaler Ebene hat der niederländische Übertragungsnetzbetreiber TenneT kürzlich ein beispielloses Programm für flexible Netznutzung gestartet. Im April 2025 bot TenneT zeitabhängige Verträge für große Energieverbraucher (wie Rechenzentren, Batteriebetreiber und Industriestandorte) an, die bereit waren, Strom nur außerhalb der Spitzenzeiten zu verbrauchen. Das Ergebnis: Über neun GW Kapazität außerhalb der Spitzenzeiten wurden über diese Verträge zugeteilt, was die Engpässe in stark belasteten Gebieten sofort entlastete. Die Nachfrage nach diesen flexiblen Anschlüssen war riesig – die Anträge überstiegen 70 GW, weit mehr als verfügbar, was zeigt, wie viele Menschen bereit sind, Flexumer zu werden, wenn es ihnen Netzzugang verschafft. Im Rahmen dieses Systems erklären sich die Teilnehmenden bereit, das Netz während der Spitzenzeiten nicht zu nutzen; im Gegenzug erhalten sie erhebliche Vorteile.

Politik unterstützt Energieflexibilität als Ressource

TenneT schätzt, dass flexible Nutzer:innen bis zu 65 Prozent ihrer Netzentgelte einsparen können, indem sie ihren Verbrauch intelligent zeitlich steuern. Für kleinere Akteure – von EV-Ladestadtionen über Wärmepumpen bis hin zu Heimbatterien – bedeutet das, dass ihnen der Stromverbrauch nicht mehr so berechnet wird, als ob sie den ganzen Tag mit voller Leistung Strom ziehen, sondern nur, wenn das Netz es bewältigen kann. Dieses Preissignal verwandelt Kund:innen in Flexumer, die ihre Last als Teil des normalen Betriebs und nicht als besondere Anstrengung anpassen.

Ein nationaler Rahmen für den Flexibilitätshandel

Die niederländische Regierung und Regulierungsbehörde haben diese Innovationen als Teil einer umfassenderen Lösung für Netzengpässe unterstützt. Indem die Niederlande Energieflexibilität als Ressource behandeln, wollen sie vermeiden, unnötig neue Leitungen zu bauen, und stattdessen die vorhandene Infrastruktur effizienter nutzen. Dieser Ansatz ist vielversprechend: Verträge außerhalb der Spitzenzeiten haben dazu beigetragen, Netzkapazitäten in überlasteten Zonen freizusetzen. Zudem ermutigten sie einige Großverbraucher, Speicherlösungen wie Batterien oder thermische Puffer zu prüfen, um sich an flexible Zugangsfenster anzupassen. Tatsächlich wird prognostiziert, dass niederländische Haushalte und Unternehmen bis 2035 etwa 28 Terrawattstunden (TWh) verschiebbare Nachfrage bereitstellen werden. Ein erhebliches Potenzial zur Lastverschiebung, wenn die erneuerbaren Energieressourcen wachsen. Das Land modernisiert auch die Marktregeln: Zum Beispiel gibt es Rahmenwerke (basierend auf dem USEF – Universal Smart Energy Framework), die standardisieren, wie flexible Kapazität gehandelt werden kann. So wird es Aggregatoren und Kund:innen leichter gemacht, am Markt teilzunehmen.

Eine flexible Kultur

Bei der Akzeptanz von Energieflexibilität nehmen die Niederlande eine Spitzenposition ein: Jeder vierte Haushalt nimmt bereits an Demand-Response-Maßnahmen teil, und eine große Zahl weiterer nutzt dynamische Tarife. Diese Offenheit unterstützt innovative Anwendungsfälle wie die Imbalance-Optimierung, bei der gebündelte Anlagen zur Echtzeit-Stabilisierung des Netzes beitragen. Auf diese Weise können teilnehmende Kund:innen bis zu sechs Euro pro Tag und System verdienen, indem sie ihre Energieflexibilität auf dem niederländischen Strommarkt anbieten.

Gestützt durch staatliche Anreize für Batterien und Smart Charging wandeln niederländische Verbraucher:innen digitale Tools in echten Netzwert um. Energieflexibilität ist nicht mehr nur ein Systemvorteil, sondern auch ein Geschäftsmodell.

Expert:innen-Einblicke und Praxistipps zu Flexumer

Flexumer gewinnen in ganz Europa an Bedeutung. Wie können Unternehmen und Kund:innen profitieren? Irene Guerra Gil, Energy Market Expert bei gridX, schätzt den Wandel wie folgt ein:

„Flexumer verändern die Funktionsweisen des Energiesystems grundlegend. Sie sind keine passiven Nutzer:innen mehr, sondern stabilisieren das Netz und sparen gleichzeitig Geld. "Unternehmen, die dieses Potential nutzen, können System- und Beschaffungskosten senken und ihren Kund:innen Mehrwert bieten, die dadurch jährlich Stromkosten sparen.” So Irene.

Sie betont zudem die zentrale Bedeutung von Vertrauen und Nutzer:innenfreundlichkeit. Die Akzeptanz steigt, wenn Tools einfach zu bedienen sind, volle Transparenz bieten und den Nutzer:innen die Kontrolle lassen. Anbieter sollten automatisierte Lösungen bereitstellen, die klar aufzeigen, wann sich flexible Nutzung finanziell auszahlt.

Für Unternehmen ist der Vorteil klar. Großverbraucher können mit Aggregatoren zusammenarbeiten, um flexible Betriebsabläufe zu monetarisieren – sei es durch die Verschiebung von HVAC-Lasten, die Anpassung des Produktions-Timings oder die Nutzung von Batteriespeichern. Auch Flotten und Anlagen zur Energieerzeugung vor Ort können zur Netzunterstützung genutzt werden. Die Erkennung zeitlich flexibler Prozesse ist der Schlüssel.

Expert:innen-Einblicke und Praxistipps zu Flexumer

Für Haushalte ist der Einstieg einfach. Die Installation einer smarten EV-Ladestation oder die Teilnahme an einem Time-of-Use-Tarif kann die Kosten senken. Selbst kleine Maßnahmen, wie das Laden nach Mitternacht oder die Reduzierung der Nutzung während Spitzenlast-Ereignissen, können 10 - 30 Prozent pro Jahr einsparen. Haushalte mit PV-Anlagen und Batterien sollten Energiemanagementsysteme nutzen, um sowohl Einsparungen als auch den Netzeinfluss zu optimieren.

Barrieren bestehen weiterhin – viele Kund:innen zögern aufgrund von Komplexität oder unklarem Mehrwert. Aber wie Irene es ausdrückt: „Sobald die Menschen realisieren, dass ein Home-Energy-Management-System nicht nur leise ihre Rechnungen senkt, sondern auch das Netz entlastet und ihnen eine aktive Rolle bei der Steuerung und Wertschöpfung von Energie ermöglicht, werden sie aufmerksam – und fangen an, darüber zu sprechen.“

Um die Verbreitung zu skalieren, ist es entscheidend, Vertrauen aufzubauen, klare Vorteile aufzuzeigen und Erfolgsgeschichten zu teilen. Mit den passenden politischen Rahmenbedingungen und Tools werden Flexumer maßgeblich dazu beitragen, Europas Netz neu zu gestalten.