Published:
December 15, 2025
Updated:

Paragraph 14c EnWG

 § 14c EnWG schafft erstmals einen Rahmen für marktbasierte Flexibilität im Verteilnetz. Netzbetreiber können lokale Engpässe künftig nicht nur technisch, sondern auch über Flexibilitätsprodukte lösen. Dafür braucht es interoperable Systeme, valide Echtzeit- und Prognosedaten sowie standardisierte Schnittstellen zwischen Anlagen, Plattformen und Netzbetreibern.

Was besagt Paragraf 14c des Energiewirtschaftgesetzes?

Paragraf 14c ist Teil der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und wurde 2021 in das Gesetz aufgenommen. In Kraft getreten ist der Paragraf bereits in 2022, wodurch seitdem zumindest formal die gesetzliche Grundlage für eine marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen durch die Verteilnetzbetreiber (VNB) gegeben ist. Trotz des Inkrafttretens der Novelle ist die Pflicht zur marktgestützten Beschaffung laut §14c derzeit ausgesetzt. Aussagen der Bundesnetzagentur (BNetzA) zufolge gibt es aktuell keinen Zeitplan für eine Festlegung von Spezifikationen wie den standardisierten Marktprodukten, wodurch 14c aktuell eher ein (regulatorischer) Rahmen ist, da die Marktprodukte noch nicht definiert sind. 

Dennoch ist §14c im Zuge der Diskussionen und EU-Vorgaben zu Flexibilität, Netzengpässen und Engpassmanagement relevanter denn je und ergänzt bestehende Eingriffsinstrumente wie §14a und Redispatch.

Zielsetzung von §14c 

Ziel von §14c ist es, dass ein rechtlicher Rahmen für die marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen geschaffen wird. Das bedeutet, dass Netzbetreiber Flexibilität nicht mehr nur per Eingriff steuern können, sondern diese auch über den Markt kaufen. So können Netzbetreiber Angebote von Flexibilitätsdienstleistern – wie Anpassung von Lasten, Einspeisung oder Speicherung, einfordern und die für sie effizienteste Lösung auswählen. Somit soll die Nutzung von vorhandener Flexibilität priorisiert werden, um Netzengpässe effizienter zu managen und den Bedarf an kostspieligen Netzausbauten zu reduzieren. 

Inhalte von §14c 

Konkret werden in §14c Regelungen zu folgenden Inhalten aufgeführt: 

Erlaubnis zur marktlichen Beschaffung

Netzbetreiber dürfen Flexibilitätsdienstleistungen über Marktmechanismen einkaufen, statt direkt eingreifen. Ziel ist es, die Engpasswirtschaft kostenoptimiert zu verbessern. 

Anforderungen zur Transparenz und Nichtdiskriminierung

Die Beschaffungsprozesse für die Flexibilität müssen offen, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein. Das bedeutet, dass alle potentiellen Anbieter der Dienstleistungen die gleichen Chancen haben müssen, um am Beschaffungsprozess teilzunehmen und keine Anbietergruppe bevor- oder benachteiligt wird. Netzbetreiber veröffentlichen ihre Kriterien, Zeiträume, Aktivierungsregeln und Vergütungsmodelle, wodurch alle Anbieter die gleichen Informationen zur Teilhabe erhalten.

Genehmigung standardisierter Marktprodukte

Die Bundesnetzagentur prüft und legt einheitliche Produktdefinitionen für die Flexibilitätsdienstleistungen fest, wie zum Beispiel technische Spezifikationen, Aktivierungsregeln und Abrechnungsmodalitäten. Allerdings hat die BNetzA derzeit noch keine solchen Kriterien festgelegt, wodurch die Netzbetreiber die Flexibilität nur freiwillig beschaffen oder in Pilotprojekten testen können. 

Aktivierung der Pflicht

Die Pflicht zur marktgestützten Beschaffung greift erst nach Genehmigung oder Festlegung der Marktprodukte durch die Bundesnetzagentur.  Wobei diese Kriterien, wie bereits erwähnt, erst festgelegt werden müssen.

Beschluss, Inkrafttreten und regulatorischer Rahmen von §14c

Einführung und Beschlusslage 

Paragraf 14c wurde bereits 2021 in das EnWG aufgenommen und trat im Juli 2022 in Kraft als Teil des Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms. Seit in Kraft treten von 14c ist die operative Wirksamkeit abhängig von den BNetzA-Spezifikationen. 

Relevante Rahmenbedingungen

Die Umsetzung von §14c erfolgt gemäß der EU-Richtlinie 2019/944, die einen allgemeinen europäischen Rahmen für einen integrierten, flexiblen und verbraucher:innenorientierten Elektrizitätsbinnenmarkt vorschreibt. Die Flexibilität soll künftig Netzengpässe effizienter lösen und den Netzausbau ergänzen. Allerdings fehlt es momentan an den nötigen Kriterien. Sobald diese allerdings festgelegt sind, wird Paragraf 14c auch operativ in Kraft treten.  

Funktionsweise von §14c

Paragraf 14c definiert eine marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen. Das bedeutet, dass Netzbetreiber die benötigte Flexibilität über Marktprozesse einkaufen, statt direkt eingreifen. Dabei umfasst Flexibilität die Anpassung von Lasten, Einspeisungen oder Speichern zur Netzstabilisierung. Anbieter können dann (in der Theorie) ihre verfügbare Flexibilität melden und Netzbetreiber definieren dann Anforderungen, Zeiträume sowie Preise. Die Auswahl der Dienstleistung erfolgt transparent nach Wirtschaftlichkeit. Im Anschluss wird die Flexibilität aktiviert, vergütet und dokumentiert. Zu den typischen Marktteilnehmern zählen Batteriespeicher, Photovoltaik(PV)-Anlagen, Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur mittels Aggregatoren und Plattformanbietern. 

Die Vorteile sind klar: Flexibilitätsdienstleistungen sind günstiger als Netzausbauten. Zudem wird systematisch die Nutzung dezentraler Energieressourcen (DER) gefördert.

Ausnahmeregelungen

Ausnahmen sind möglich, falls die Marktbeschaffung nicht wirtschaftlich ist. Die Regulierungsbehörde kann dann bestimmte Flexibilitätsprodukte ausnehmen um ineffiziente Marktresultate oder Engpassverstärkung zu vermeiden. 

Warum §14c jetzt wichtig wird 

Die Netzbelastung steigt durch die fortschreitende Elektrifizierung von Wärme, Mobilität und Industrie und dadurch die zunehmende Anzahl steuerbarer Verbraucher und Erzeuger. Perspektivisch nehmen dadurch lokale Netzengpässe zu und der Bedarf an flexiblen, datenbasierten Lösungen im Engpassmanagement wächst. § 14c ist der zentrale Mechanismus für die Einführung lokaler Flexibilitätsmärkte und soll Engpässe effizienter, transparenter und wirtschaftlicher bewirtschaften als rein technische Maßnahmen.

Netzbetreiber und Marktakteure bereiten sich daher strategisch auf zukünftige Flexibilitätsmärkte vor. Die Entwicklung der notwendigen technischen, digitalen und organisatorischen Infrastruktur wird zunehmend entscheidend. Dazu gehören Datenmodelle, Prognosen, Steuerungsplattformen, Mess- und Kommunikationssysteme sowie Tools zur Bewertung und Aktivierung dezentraler Flexibilität.

Anforderungen an technische und organisatorische Systeme

Für die marktliche Beschaffung von Flexibilität brauchen Netzbetreiber und Anlagenbetreibende eine interoperable, sichere und zuverlässige technische Infrastruktur. Dazu gehören Mess-, Steuer- und Kommunikationssysteme, die Leistungsänderungen präzise übertragen können. Smart-Meter-Gateways, zertifizierte Steuerboxen und einheitliche Kommunikationsprotokolle bilden die Grundlage, um Flexibilität im Niederspannungsnetz effizient zu aktivieren. Gleichzeitig müssen Daten in Echtzeit validiert und für Prognosezwecke nutzbar sein, damit Aktivierungen belastbar und wirtschaftlich bewertet werden können.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Nachweisführung. Anbieter müssen dokumentieren können, welche Flexibilität wann bereitgestellt wurde. Standardisierte Datenmodelle und Schnittstellen sorgen dafür, dass Netzbetreiber Aktivierungen nachvollziehen und korrekt vergüten können. Die technische und organisatorische Einheitlichkeit ist entscheidend, um heterogene Anlagen einfach integrieren zu können.

Rolle von Energiemanagement- und Flexibilitätsplattformen

Energiemanagement- und Flexibilitätsplattformen  wie XENON übernehmen in Zukunft eine zentrale Rolle, da sie:

  • Steuerbarkeit, Messbarkeit und Prognosequalität dezentraler Anlagen bereitstellen

  • Aggregation heterogener Kleinanlagen ermöglichen

  • Aktivierungs- und Nachweisprozesse automatisieren

  • die Teilnahme von Haushalten und Gewerbe an Flexibilitätsmärkten vereinfachen

Bei einer stetig wachsenden Zahl an Wärmepumpen, Ladepunkten, Speichenr oder PV-Aufdachanlagen bilden holistische Energiemanagmentlösungen die operative Grundlage, um die theoretisch vorgesehenen § 14c-Mechanismen im Niederspannungsnetz praktisch nutzbar zu machen.

Herausforderungen 

Der Aufbau marktbasierter Flexibilitätsprozesse nach § 14c steht noch am Anfang. Es fehlen weiterhin verbindliche Produktstandards, Aktivierungslogiken und technische Mindestanforderungen seitens der Bundesnetzagentur. Solange diese Grundlagen nicht definiert sind, können Marktteilnehmende ihre Systeme nicht gezielt darauf ausrichten und Netzbetreiber keine verbindlichen Beschaffungsprozesse etablieren.

Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind derzeit ungeklärt. Offene Fragen betreffen insbesondere Abrechnung, Vergütung und die bilanzielle Behandlung aktivierter Flexibilität. Ohne klare Regeln entsteht Unsicherheit bei der Planung und Bewertung von Flexibilitätsangeboten.

Technisch besteht eine hohe Heterogenität zwischen Anlagen, Steuerungskomponenten und Datenquellen. Unterschiedliche Standards, proprietäre Systeme und variable Datenqualität erschweren Interoperabilität und Skalierung. Darüber hinaus ist ein erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen Netzbetreibern, Plattformanbietern und weiteren Marktpartnern notwendig, um konsistente Prozesse und Schnittstellen zu schaffen.

Chancen 

§ 14c bietet die Möglichkeit, dezentrale Flexibilität systematisch nutzbar zu machen, Engpasskosten zu reduzieren und die Integration erneuerbarer Energien zu beschleunigen.

Für Haushalte und Gewerbe entsteht erstmals ein Marktumfeld, in dem steuerbare Verbraucher und Speicher wirtschaftlich relevant werden und automatisierte Energiemanagementsysteme neue Anwendungsfälle für Anlagenbetreiber erschließen können. 

Durch marktbasierte Mechanismen lässt sich die Bereitstellung von Flexibilität wirtschaftlicher steuern als über rein technische Eingriffe. Lokale Märkte ermöglichen eine transparente Bewertung und Auswahl von Flexibilitätsangeboten und können so Netzengpässe kosteneffizient mindern. Die Digitalisierung schafft zusätzliche Potenziale. Plattformen können Flexibilitäten bündeln, aktivieren und nachweisen und damit die Teilnahme an künftigen Flexibilitätsmärkten vereinfachen. Auf diese Weise wird Flexibilität zu einem integrierten Bestandteil des Netzbetriebs in der Niederspannung.

Unterschied zwischen §14a, §14c EnWG und Redispatch

§ 14a EnWG ermöglicht Netzbetreibern den Zugriff auf bestimmte steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Ladepunkte, allerdings im Rahmen eines verpflichtenden Mechanismus. § 14c EnWG hingegen setzt auf ein marktbasiertes Verfahren und adressiert vor allem lokale Engpässe im Verteilnetz. Marktteilnehmer entscheiden freiwillig, ob sie Flexibilität anbieten möchten.

Redispatch regelt Eingriffe in Erzeugungsanlagen und Speicher, um übergeordnete und überregionale Engpässe im Verteil- und Übertragungsnetz zu verhindern.

Alle Instrumente lassen sich komplementär nutzen und werden perspektivisch zu einem integrierten Engpassmanagement zusammengeführt.

Expert:innen-Einblicke und Praxistipps

Der Übergang zu marktbasierter Flexibilität erfordert technische Vorbereitung und klar definierte Prozesse. Digitale Plattformen, interoperable Schnittstellen und automatisierte Prognose- und Aktivierungslogiken werden entscheidend, um Flexibilität im Niederspannungsnetz zuverlässig nutzbar zu machen. Organisationen profitieren, wenn sie frühzeitig Datenqualität, Steuerbarkeit und Nachweisprozesse in ihren Systemen verankern und erste Anwendungsfälle testen. Carsten Schäfer, Senior Product Manager Platform bei gridX erklärt: „Der Aufbau lokaler Flexibilitätsmärkte wird sich schrittweise entwickeln.Wer frühzeitig in interoperable Infrastruktur und automatisierte Prozesse investiert, kann Flexibilität skalierbar nutzbar machen und neue Wertschöpfungspotenziale erschließen.“

In den kommenden Jahren wird die Bedeutung dezentraler Flexibilität weiter steigen. Sobald die Bundesnetzagentur standardisierte Produkte festlegt, entsteht ein verbindlicher Rahmen für marktbasierte Beschaffung. Digitale Energiemanagement- und Flexibilitätsplattformen werden dann eine zentrale Rolle einnehmen, da sie die technische Anbindung, Aggregation und Aktivierung dezentraler Ressourcen ermöglichen.